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Gottesdienst

Sonntagsgruß - 24. Mai - hier anklicken...

Den Sonntagsgruß am 24. Mai schreibt Pastor Frank-Ulrich Schoeneberg zu Jeremia 31,31-34.
Der biblische Text ist unten zu lesen.

Der Prophet Jeremia kündigt seinen Zeitgenossen eine heilvolle Zukunft an: Mit seinem Volk will Gott einen neuen Bund schließen, Gott will dafür sorgen, dass alle ihn erfahren und kennen. Frauen und Männer, Junge und Alte sollen inwendig wissen, was Gottes Wille ist. Mitten ins Herz der Menschen will Gott sein Wort und seine Weisungen eingeben, so dass es keine Missverständnisse mehr geben kann. Es gibt ein unvermitteltes Verstehen dessen, was Gott fordert. Alle offenen Rechnungen sollen nicht mehr beglichen werden, was Schuld war ist vergeben. Es gibt einen Schnitt: eine neue Zeit, einen neuen Bund mit einer intrakardial zugefügten Gotterkenntnis.

So der Prophet vor über zweieinhalbtausend Jahren – wir hören diesen Text heute am Sonntag vor Pfingsten, quasi als Vorbereitung dessen, was wir am kommenden Wochenende hören werden, dass Gottes Geist am Pfingstfest in Jerusalem die Apostel erfüllt und sich ausbreitet, indem er Menschen unterschiedlicher Herkunft und Sprachen verbindet in einer interglossalen Gemeinschaft, sie hören und verstehen einander. Was Pfingsten das geistliche Ergriffen sein und Verstehen ist, das beschreibt Jeremia als Herzenserkenntnis Gottes.

Der Prophet Jeremia kündigt seinen Zeitgenossen eine heilvolle Zukunft an allen Widrigkeiten und Katastrophen der damaligen Zeit zum Trotz. Ich glaube, das können wir heute in Corona-Zeiten auch ganz gut vertragen, den Zuspruch, dass da eine neue Zeit kommt, in der es wieder besser wird.

Ich bleibe bei meiner Auslegung heute bei der herzlichen Gotterkenntnis, von der Jeremia spricht.
Etwas Protestantisches spricht mich da an. Denn die direkte göttliche Mitteilung schließt ja gerade aus, dass der eine den anderen zu Gotterkenntnis führen könne. Keiner hätte dann den Glauben und die Weisheit so für sich gepachtet. Alles Lehren hätte dann ein Ende, weil ja jeder aus tiefstem Herzen schon weiß, was Not tut. Alles Besserwissen hätte ein Ende, alles Streiten um den richtigen Weg würde vollkommen zwecklos sein, weil alle einen inneren Kompass haben, der verbindlich die Richtung aufweist. Jeder einzelne wäre gebunden an sein Gewissen, sein untrügliches Wissen um das, was richtig und was falsch ist – protestantisch klingt das für mich, weil wir niemanden brauchen, der für uns vermittelt, was Gott doch ganz allein schon mit Christus mitgeteilt hat, uns als Wort ins Herz gelegt hat. Gotterkenntnis ist eine subjektive Erfahrung, die individuelle Suchbewegung. Sie umfasst das Denken und Fühlen, weil für Jeremia das Herz das zentrale Organ ist, in dem Denken und Fühlen zusammenfallen.

Höre auf dein Herz und dann lebe! So möchte ich Jeremia heute verstehen.

Etwas aber stört dennoch, denn die inwendige Erkenntnis Gottes darf nicht zur Gleichschaltung aller führen, unter dem Motto, jetzt sind ja alle Menschen moralisch-ethisch gleich ausgerichtet. In den großen Ideologien der Menschheitsgeschichte hat das stets zur Katastrophe geführt. Totalitarismus hat einen Grundzug, wonach alle dasselbe denken, fühlen und meinen sollen, was schlechterdings nicht gehen kann. Auch Religionen sind in dieser Hinsicht gefährdet, Freiheit und Geist zu kurz zudenken. Um der Menschlichkeit willen, kann es keine Gleichschaltung der Herzen von außen geben.
Herzenserkenntnis bleibt ein individuelles Geschehen. Und was ich von Herzen weiß, führt ja noch nicht zwingend dazu, dass dieses Wissen sich auch entsprechend äußert – das weiß jeder, der einmal gegen besseres Wissen gehandelt hat. Ich fürchte, dies ist im Leben des Einzelnen kaum auszuschließen ist. Das ist menschlich und wir leben aus der Freiheit, Fehler zu machen, uns zu korrigieren und zu lernen. Gut, dass Gott Vergebung verspricht, sonst wären wir nämlich hoffnungslos überfordert und verloren.

Höre auf dein Herz und dann lebe!
Auch mit dem Risiko, mit dem vermeintlich Gutem im Herzen, dem Bestem im Sinn, durchaus daneben zu liegen. Aber wenn schon, dann doch reflektiert, durchdacht aus vollem Herzen: Lebe, handle, aber niemals herzlos!

Wir müssen in unserem Leben Dinge entscheiden, müssen handeln. Wir sollen es, weil wir in die Verantwortung gerufen sind uns selbst und anderen gegenüber. Der Gedanke, dass es in mir eine Herzensstimme gibt, die mich kritisch hinterfragt, leitet und zurechtweist, ist dann hilfreich. Um in Freiheit und in Verantwortung zu leben, braucht es diese innere Instanz: Was tust du, was sagst du, was willst du? – diese innere Stimme, die zu uns gehört, darf sich orientieren an dem, was Gott will – Dass Gott da sich schon fest eingetragen hat, ist tröstlich.

Also höre auf dein Herz und dann lebe!

Und noch ein Gedanke zum Schluss: In der Verantwortung vor uns, vor den Mitmenschen und vor Gott bilden wir unsere Meinungen aus. Das, was wir von einer Sache halten, was wir denken, was wir urteilen, wird üblich als Meinung verstanden und geäußert: „Ich mein' ja nur…“. Doch: Alles Mögliche äußert sich als Meinung. Der größte Unsinn wird als Meinung geäußert und erweckt den Anschein geadelter Mitteilung, weil es ja schließlich eine Meinung sei und man dürfe die doch schließlich einmal sagen…
Stimmt, das darf man. Und das Recht auf Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Doch müssen wir das, was unsere Meinung ist, auch herzlich durchdenken, kritisch durchkauen mit allen geistig-kognitiven und emotionalen Kapazitäten, die uns menschlich zur Verfügung stehen. Ich frage mich, ob es bei den Verfechtern von Verschwörungstheorien am Mangel von Kapazität liegt oder hier einfach der Kick gesucht wird, mit einer möglichst verschrobenen Meinung Aufsehen und Beachtung zu erhalten – Es ist ja leicht, den größten Blödsinn ins weltweite Netz zu stellen…

Für uns Christen gilt, soweit ich sehe: Eine Meinung fällt nicht vom Himmel, sie wird durchdacht, herzlich durchgekaut und in der innerlichen Reflexion zur Überzeugung. Eine Meinung ist ein Urteil, das als zutreffend verantwortet werden muss. Eine Meinung, wenn sie Anspruch erhebt, eine solche zu sein, ist der Wahrhaftigkeit und Wahrheit unterworfen.

Jeremias herzliche Gotterkenntnis und eine protestantische Gewissenhaltung können uns helfen, inhaltslose Meinungen zu entlarven und Verurteilungen von Menschen im Kleide der Meinungsäußerung entgegenzutreten.

Zwei Einladungen nehme ich heute aus dem Jeremia-Text mit in die neue Woche:

Höre auf dein Herz und dann lebe!
Höre auf dein Gewissen und dann urteile!

Amen.


Bibeltext:

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den Herrn«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Jeremia 31,31-34



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