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Sonntagsgruß

Sonntagsgruß für den 2. August - hier anklicken...

Von Vikarin Stephanie Müller

Sonntagsgruß für den 02. August 2020
zur Heilung eines Blindgeborenen (Joh 9,1-7)

Sein ganzes Leben schon hörte er die Menschen tuscheln, wenn sie an ihm vorbeigingen:

„Es wird schon einen Grund geben, dass ihm das passiert…“
„Ich kenn die Eltern. Die kamen mir schon immer komisch vor, die haben so einen Sohn sicher verdient…“
„Bei denen wundert mich das gar nicht…“
„Selber Schuld, wenn man sich so verhält…“

Solche Sätze… schon sein ganzes Leben lang. Mit seiner Blindheit hatte er sich abgefunden. Er kannte es ja nicht anders. Nicht seine Augen behinderten ihn, sondern die Augen der anderen. Er musste gar nicht sehen können, um ihre messerscharfen, abschätzigen Blicke wahrzunehmen. Nein, seine Blindheit hatte er akzeptiert. Aber die Sätze der anderen waren wie Messerstiche und das Leid seiner Eltern quälte ihn. Sie gingen kaputt an der Frage, welche Sünde so groß gewesen sein muss, dass ihr Sohn diese wunderschöne Welt nicht zu sehen bekommt? Hatten sie Gott nicht genug geehrt? Hatten sie nicht genug gebetet?
Sie alle litten am Getuschel der Leute, an ihren Unterstellungen, an ihrem Urteil…

Und dann auch noch die Jünger… Da kommt Jesus in die Stadt und die Hoffnung auf ein Wunder schwebt in der Luft… Und dann wieder einer dieser Sätze:
„Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?“, fragen die Jünger Jesus.
„Wer hat gesündigt?“ zack, wieder ein Messerstich!

Liebe Gemeinde,
die Jünger liefern hier eine damals gängige Erklärung für die Blindheit des Mannes: Wer krank ist, muss gesündigt haben. Wem Schlechtes passiert, der hat es selbst zu verantworten. Die Jünger unterstellen hier also einen Zusammenhang zwischen Krankheit und Schuld. Und diese Auffassung haben wir leider nicht in der Antike gelassen. Auch wir zweifeln an unserer Lebensführung, wenn uns das Schicksal hart trifft: „Ach, hätte ich doch nur… weniger geraucht / mehr Sport gemacht / gesünder gegessen und so weiter…“ Hinter dieser „Diagnose“ steckt der Glaube, dass Krankheiten sich in jedem Fall durch das eigene Verhalten vermeiden lassen. „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied!“ — kennen wir doch!

Wer trägt die Schuld an der Blindheit dieses Mannes? „Keiner!“, sagt Jesus. „Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern!“ Es geht nicht um Schuld. Dass der Blinde blind ist, gehört zu seinem Leben, wie Gott es ihm gegeben hat. Es ist, wie es ist. Das bedeutet nicht, dass es medizinisch nichts zu tun gäbe, aber wodurch Jesus heilt, ist diese Schuldfreisprechung: Keiner hat Schuld!
Sobald Jesus dem Blinden die Schlammsalbe auf die Augen geschmiert hat, geht er ohne Hilfe zum Teich, um sich die Augen auszuwaschen, obwohl er noch nichts sehen kann. Es ist zu spüren, wie erleichtert er ist, erleichtert von Schuld. So wirkt er selbst an seiner Heilung mit.

Nicht das Verschwinden einer Krankheit steht hier im Mittelpunkt, sondern die Versöhnung mit Gott und den Mitmenschen. Die Heilung besteht darin, mit sich selbst und der Welt ins Reine zu kommen.
Akzeptieren können, was ist.
Ablassen von der Erwartung, dass wir alle unversehrt durchs Leben gehen.
Den Wert eines Menschen nicht an dem Zustand seines Körpers ermessen, sondern an etwas das unermesslich ist.

Von Albert Einstein stammt der Satz:
„Es gibt nur zwei Arten zu leben. Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.“
Entscheiden Sie selbst!

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