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Ansprache in der Vicelinkirche; Ökumenisches Abendgebet am 10.12.2004; Thema: St. Bernhard und St. Vicelin, von Pastor Thomas Jeutner

Vicelin verteilt Brot vor dem Kloster Neumünster

Liebe Schwestern und Brüder,

aus gutem Grund sind wir heute Abend ökumenisch zusammen. Wir haben schon vorhin erlebt und gespürt (vgl. Lied „Ihr Freunde Gottes“), wie sich Traditionen unserer evangelischen Kirche und der katholischen Kirche mischen, hier in unserer gottesdienstlichen Stunde.

Denn die Spuren der beiden Menschen, deren Leben wir heute Abend erinnern, reichen zurück in die Zeit der noch ungetrennten Kirche unserer Vorfahren im Glauben.



Was verbindet Bernhard und Vicelin?

VICELIN ist der ältere, er wurde 1090 geboren, in Hameln an der Weser.
Bernhard kam 1091 in Fontaines, bei Dijon auf die Welt, in Burgund in Frankreich.

In ihrer Jugend haben beide unabhängig voneinander Studien getrieben. Theologische Studien.

BERNHARD war in Frankreich, im Zentrum der aufblühenden theologischen Wissenschaft; mit großem Eifer liest und studiert er die Bibel. Der Tod seiner Mutter und seine Sehnsucht nach der völligen Hingabe an Gott lassen ihn Mönch werden.

Mit 22 Jahren trat er im Kloster Citeaux in den Zisterzienserorden ein, dessen strenge Regeln viele abstieß, so dass er am Aussterben war.
Bernhard ist ein Asket, er versteht sich als Mitleidender und Mitsterbender Christi, um auch die Kraft seiner Auferstehung zu erlangen.
Stehend verbrachte er viele Tage und Nächte im Gebet, bis ihm die Füße geschwollen sind. Er verbrachte viel Zeit in zurückgezogener Stille, in der ihm die Eichen und Buchen, wie er scherzend sagte, seine liebsten Lehrmeister waren. In der Stille ließ er Gott durch die Bibel mit sich reden.

Mit 34 Jahren wurde er Abt des neu gegründeten Klosters Clairevaux. Wie alle Zisterzienser baute er sein Kloster nicht auf einem Berg (wie die Benediktiner), sondern in einem düsteren Tal.
Hier gab es kaum landwirtschaftlichen Ertrag, der Boden war karg, die Nahrung spärlich. Oft bestand sie nur aus Buchenblättern, Haferbrot und Hirse.

Aber die Mönche um Bernhard waren sehr fleißige Leute. Das Kloster kam zur Blüte. Noch zu seinen Lebzeiten wurden von Clairevaux aus 300 weitere Zisterzienserklöster gegründet. Die Zisterzienser gewannen Bedeutung vor allem als Siedlungs- und Missionsorden vor allem in den ostelbischen Ländern. Ihr Kennzeichen ist die Einfachheit ihrer Bauten und die strenge Askese in Leben und Arbeit.



VICELIN war von Hameln aus nach Paderborn zu mehreren Jahren Studium gegangen. Hier wandelte er sich bald vom eifrigen Schüler auch zum Unterrichtenden und Mitarbeiter in der Paderborner Theologischen Schule. Schließlich wird er in die Theologische Schule nach Bremen entsandt – als Dozent. Um 1122 herum – da war er bereits 32 Jahre alt, geht er für drei Jahre als Theologiestudent nach Frankreich. Gemeinsam mit seinem Bremer Schüler und Freund Thetmar zog er in die damalige französische Hauptstadt, nach Laon.

Hier in der Fremde erst kommt er auf den Gedanken, in die Heimat zurück zu kehren und sich zum Priester weihen zu lassen.

So haben Bernhard und Vicelin gemeinsam, dass sie der in Frankreich aufgebrochenen Blüte der Theologie wesentliche Impulse verdanken. Diese haben ihr Leben nicht nur beeinflusst, sondern bestimmt.

Während Bernhard in der Klostergemeinschaft seines Ordens eine Heimat gefunden hatte, musste Vicelin sie erst suchen.
Vicelin ging nach Magdeburg, um Norbert von Xanten zu treffen. Norbert war ein strenger Mönch und Wanderprediger gewesen aus dem Rheinland, der mit einem Büßergewand durch die Lande gezogen war. Als er Erzbischof von Magdeburg wurde, ritt er barfuß in die Stadt ein, auf einem Esel. Vicelin und Norbert waren sich aus Laon bekannt;
in Magdeburg weiht Norbert den Vicelin zum Priester.

Seine erste Aufgabe findet Vicelin im Predigtamt an den slawischen Völkern.
Im holsteinischen Faldera, das heutige Neumünster, wird er vom Bremer Bischof mit diesem Sendamt betraut.

Helmold, der Biograf Vicelins, überliefert dazu folgende Worte des Bischofs:

„Vicelin, wenn du dir vorgenommen hast, im Slawenlande zu wirken, so geh mit den Leuten aus Faldera und übernimm ihre Kirche, denn sie liegt an der Grenze beider Länder, sie mag dir Stützpunkt zum Betreten und Verlassen slawischen Gebietes sein“.

Im Frühjahr 1127 ging er also nach Faldera im Siedlungsgebiet der Holsaten und gründete das Augustiner-Chorherrenstift (Kloster) „Neumünster“.



Das verbindet diese beiden Menschen:
Umgetrieben sein von dem Wunsch, das ganze Leben für die Sache Gottes einzusetzen.
Predigen, in unwirtlichem Land.
Unter unbequemen Voraussetzungen.
Bernhard im Tal von Clairevaux, Vicelin an der Grenze zum Slawenland.




Und doch ist keine Beschaulichkeit zu spüren im Leben der beiden.
Um sie herum findet Politik statt.
Die Mächte der Welt fechten Kämpfe aus, Könige und Kaiser suchen das ihre.
Diese Jahrzehnte sind eine Zeit des geistlichen Aufbruches, ja.
Aber auch eine hohe Zeit der brutalen militärischen Auseinandersetzungen.

Sie geraten beide da hinein.
Sie können sich nicht entziehen, oder sie wollen es auch nicht.


BERNHARD wird sehr berührt von dem Gedanken, das Heilige Land Israel mit militärischer Gewalt wieder zurück zu erobern aus muslimischer Hand.
Ohne die flammenden Predigten Bernhards, ohne seine Aufrufe an vielen Königshöfen Europas, zu den Waffen zu greifen, ist der Kreuzzug von 1147-49 undenkbar. Aber er kommt zustande.

Bernhard war auch nach Deutschland gereist, um am Hofe des Königs Konrad III. für den Kreuzzug zu werben.
Helmold, der Biograf Vicelins, berichtet vom Auftreten des französischen Abtes in Frankfurt am Main auf dem Reichstag. Auch der holsteinische Graf Adolf war dabei, ein Vertrauter von Vicelin.
Auf die Kleider und Waffen all derer, die als riesiger Heerbann auf dem Reichstag versammelt sind, wird das Kreuz geheftet. König Konrad übernimmt die Führung. Und man beschließt, das Kreuzfahrerheer in drei verschiedene Richtungen auszusenden:

In das Heilige Land.
Nach Spanien.
Und – zu den slawischen Völkern.



Die Kreuzzüge werden ein Misserfolg.
Viele Tausende kommen um, schon auf dem Hinmarsch.
Auch im Slawengebiet, wo Vicelin mehrere Jahre lang predigte, geraten die Kriegspläne ins Stocken.

Hier siegt am Ende die Vernunft.
Man begreift, dass mit allen angerichteten Zerstörungen nur das Land vernichtet wird. Das Land, von dessen Äckern und Wiesen und Bewohnern man sich doch eigentlich Einnahmen erhoffte.

Es wird deutlich: Mit Gewalt und Macht kommt damals wie heute eine schlechte Sache nie ans Ziel. Und erst recht nicht die Sache Gottes.

Nach dem Scheitern des Kreuzzuges hagelt es Kritik an Bernhard.
Viele wenden sich von ihm ab. Er erscheint als falscher Prophet. Nur wenige Jahre später wird er schwerkrank und stirbt, mit 67 Jahren.



Ein Jahr später stirbt auch sein Zeitgenosse, Vicelin.
Auch er war zerrieben worden zwischen den egoistischen Machtkämpfen der Einflussreichen an Bischofssitzen und Königshöfen. Er wurde krank darüber, hatte mehrere Schlaganfälle, war gelähmt und konnte nicht mehr sprechen.

Zwar hatte der glimpfliche Ausgang des Wendenkreuzzuges die erneute Gründung des Bistums Oldenburg möglich gemacht. Und noch fünf Jahre vor seinem Tod wurde Vicelin hier zum Bischof geweiht. Aber die christliche Predigt fiel kaum auf fruchtbaren Boden. Die Lage in seinem Bischofssprengel, den er später von Bosau aus verwaltete, erlebt er bis zuletzt als trostlos.



Was diese beiden Lebensläufe noch verbindet
und uns heutige nachdenklich machen kann, ist das geduldige Suchen nach Wegen, wie die Kirche Jesu Christi wachsen kann.

Bernhard suchte Kraft in der Heiligen Schrift und in der Natur –
Vicelin nannte seine Kirchengründungen oft „Pflanzstätten des Glaubens“.
Diese Geduld, dieser Wille, nicht aufzugeben unter widrigen Umständen, sind mir ein Beispiel.

Und - beide mussten erfahren, dass ihr Mittun in den politischen Machtkämpfen das Evangelium nicht ausbreiten half. Das Schwert erleichtert nicht das Bekenntnis zu Gott. Wir müssen heute ganz klar sagen: Die Kreuzzüge, nach Osten und Süden und in das Slawenland waren ein schlimmer Irrweg. Es ist ein Irrweg von der Achse des Bösen zu reden, damals wie heute.

Wie bald aber Irrwege die Kirche gelockt und verführt haben, bis in heutige Jahrzehnte hinein, lehrt ein Blick in die Geschichte.

Und dennoch machen uns die Namenspatrone unserer Kirchen Mut.
Mut, die Kraft der Bibel mit in unseren Alltag hinein zu nehmen.
Es gilt bis heute ihre Erfahrung, dass die Sache Jesu Menschen begeistert, sie zusammenführt, tröstet und froh macht.
Vicelin und Bernhard machen Mut,
neue Wege zu beschreiten im Zugehen auf Menschen.

Vor Irrwegen waren die beiden nicht gefeit, wir sind es auch nicht.
Aber - die Angst vor Gefahr
darf kein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen.

So heißt es auch in einem wichtigen Missionspapier unserer Zeit, erarbeitet 1998 in Ostdeutschland, mit dem Namen „Kirche mit Hoffnung“:

„Die Menschen haben unsere Kirche zwar in Scharen verlassen,
aber gewonnen werden können sie nur als Einzelne, in persönlichen Begegnungen“.


Bernhard und Vicelin hätten das unterschrieben.
Also – machen wir uns auch auf den Weg, zu den Menschen.
Brechen wir auf in unseren Kirchen,
die ihren Namen tragen.

Amen.

 
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