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Kraft, Liebe, Besonnenheit - Predigt von Pastorin Susanne Bostelmann zum Epiphanias-Festgottesdienst 2006

Kraft, Liebe, Besonnenheit - Motto zum Jahreswechsel 2005/06 Foto: Jörg M. Peters

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.


Liebe Gemeinde,

fast wäre es schief gegangen.
Fast wäre es schief gegangen, und Gottes Sohn wäre umgebracht worden, bevor seine Geburt richtig bekannt geworden wäre.

Wie sähe unser Leben heute aus, ohne die Botschaft der Liebe, ohne die Hoffnung auf Frieden auf Erden?
Vielleicht gäbe es noch weniger Gegengewicht zu den Werten, die sich in unserer Gesellschaft immer mehr durchzusetzen scheinen: Durchsetzungsvermögen und Wachstum.

Durchsetzungsvermögen und Wachstum – das waren schon damals die Ideale der Herrschenden. Wir wissen aus der Weihnachtsgeschichte nach Lukas, dass der König Herodes den Volkszählungsbescheid des römischen Kaisers durchsetzte, von dem beide profitierten: mehr Steuern erhofften sich die in den Palästen, und die brauchten sie auch für das Wachstum ihres Einflusses.

Gott sei Dank ist es nicht schief gegangen.
Davon haben wir in der Lesung gehört. Denn selbst die Weisen aus dem Morgenland waren eben nur Menschen und haben menschlich gedacht: ein neugeborener König, dessen Stern sie in ihrer Heimat schon sahen, der musste im Palast zu finden sein. Aber als sie da fragten, setzten sie unbewusst die Häscher des Königs auf Jesus an. Ein neugeborener König? Das war eine Gefahr für das Herrscherhaus. Und damit sollte Herodes Recht behalten, allerdings auf ganz andere Weise, als er dachte. Ein Friedenskönig wird das Kind werden, Gott ist Mensch geworden für die gesamte Welt.

Die Weisen hatten im Palast Gottes Zeichen aus den Augen verloren. Sie fanden das Kind im Stall erst, als sie sich wieder auf den Stern besannen, der ihnen den Weg wies.
Angekommen fanden sie allerdings keinen Prinzen, sondern ein Kind in einfachsten Verhältnissen, in einer provisorischen Unterkunft mit einer sehr jungen Mutter und einem Mann, dessen Vaterschaft ungeklärt war.
Nicht im Palast kommt Gott in die Welt, sondern in einfachen Verhältnissen. Das erzählt uns die Weihnachtsgeschichte: Gott kommt zuerst zu denen, die im Abseits stehen.

Die 3 Weisen hatten sich weismachen lassen, dass der König informiert werden musste, wo das Kind zu finden war. Damit hätten sie die Mörder direkt zu Jesus geführt. Gott aber half nach und schenkte den Weisen die Besonnenheit, die echte Weisheit ausmacht. Diesmal hörten sie auf Gottes Hinweis und gingen auf dem Rückweg Herodes aus dem Weg.

Dem König war so ein Schnippchen geschlagen worden, aber seine Soldaten waren dennoch auf dem Weg nach Bethlehem, um die vermeintliche Konkurrenz aus dem Weg zu räumen.
Noch einmal musste Gott eingreifen, damit die gute Nachricht nicht versiegte, bevor sie richtig begann. Diesmal war es ein Engel im Traum, der Josef zur Flucht mit Maria und dem Kind mahnte. Josef kannte den Engel schon. Er hatte ihm Mut zugesprochen, bei der schwangeren Verlobten zu bleiben und für das Kind zu sorgen, dessen Vater er nicht war. Eigentlich hatte er Maria dezent verlassen wollen, was nach damaligen menschlichen, männlichen Maßstäben nicht nur vernünftig, sondern auch recht rücksichtsvoll Maria gegenüber gewesen wäre. Josef hatte damals auf den Engel gehört und war bei Maria und ihrem Kind geblieben. So entschied er auch jetzt und brach nach dem Traum sofort auf in die Fremde, die Zuflucht bot.
Josef hat viel Mühe auf sich genommen für das Kind, das mehr Gottes Sohn als sein eigener war. Josef hat der Liebe den Ausschlag gegeben, die nicht fragt, was ich davon habe, sondern die solidarisch ist und Mitmenschlichkeit in die Tat umsetzt.

Besonnenheit und Liebe waren nötig, damit das gefährdete Heil sich entwickeln konnte. Beide aber wären sie nichts ohne die Kraft gewesen, die Josef und Maria aufbringen mussten, um die Flucht und all die Unwägbarkeiten durchzustehen, bis sie in Sicherheit waren.

Fast wäre es schief gegangen, aber mit Gottes Hilfe und mit Kraft, Liebe und Besonnenheit konnte Gottes Sohn heranwachsen. All dies war nötig, damit die gute Nachricht sich ausbreitete und bis zu uns dringen konnte: Gott ist mitten unter uns, mit uns allen, aber zuerst bei den Schwächsten.

Heute ist diese gute Nachricht immer noch gefährdet. Weniger durch direkte Gewalt als durch eine subtile Entwicklung, die in unserer Gesellschaft immer mehr Raum greift.
Das ist zum einen eine Verzagtheit in einer Welt, in der ich scheinbar immer mehr von oben bestimmt werde, in der die Politik das Wachstum und die Ausgabenminimierung über die Bedürfnisse der Bevölkerung stellt.
„Was kann ich denn schon tun?“, „Es wird eh immer nur schlimmer…“, „Ist doch eh egal, was ich wähle…“: Solche Sätze kommen aus einer Verdrossenheit oder Mutlosigkeit und führen häufig zum Rückzug in die eigene Privatsphäre. Dann kümmere ich mich nur um meine kleine Welt, lasse den Rest mit seinen Problemen draußen.
Mut und Kraft brauchen wir, um der Verzagtheit und der Versuchung eines Rückzugs zu widerstehen.
Aber eine Kraft muss sich nach ihrer Ausrichtung befragen lassen. Die momentane gesellschaftlich verkündigte Kraft ist das Wachstum, zur Gewinnmaximierung. Hamburg, eine wachsende Stadt, heißt es. Das klingt ja gut, aber in unserem Stadtteil sehen wir, was wächst und was demzufolge schrumpfen muss: Der Verkehr soll wachsen für die Wirtschaft und die ohnehin starken Zentren (AEZ) werden ausgebaut zu Lasten derer, die nicht so mobil sind. Die kleinen Läden kämpfen ums Überleben und sinnvolle Einrichtungen im Stadtteil wie die Bücherhalle verschwinden immer mehr. Das schadet den Schwächsten, den Kindern, den Alten, denen, die nicht mithalten können.
Und wo die Schwächsten gefährdet sind, sind Christ/innen gefordert.

Darum ist uns der Satz von Paulus so wichtig, den wir als Motto für die Weihnachtszeit und den Jahreswechsel im Stadtteil ins Gespräch bringen möchten: Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Egal wie die Wirtschaft sich entwickelt, egal, was das neue Jahr bringt: Fürchten und Verzagen müssen wir nicht, denn Gott ist mit uns und schenkt uns einen Geist der Kraft. Doch die Kraft, die Gott schenkt, ist gekoppelt an Liebe und Besonnenheit. Ohne Liebe kann Kraft zerstörerisch wirken und ohne Besonnenheit verpuffen.
Gott hat uns einen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit geschenkt. Aus dieser guten Nachricht leben wir und die möchten wir weitergeben: Kraft mit Besonnenheit verbinden, Solidarität über den Tellerrand hinaus, Mitmenschlichkeit, das möchte die Kirchengemeinde Sasel im Stadtteil und darüber hinaus bewirken.
Und das tun wir in vielfältiger Hinsicht: Wir holen die Welt und die Nachbarschaft zu uns und machen aufmerksam auf die Arbeitsbedingungen auf den anderen Kontinenten mit dem Weltladen und dem wunderbaren Café.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Nichtmobilen eine Stimme bekommen und nicht vergessen wird, dass Schnelligkeit nicht unser Credo ist.
In unseren Kindergärten lernen Kinder die Wunder der Schöpfung und dass sie vor Gott unendlich wertvoll sind, so wie alle Menschen.
Für das und all die anderen Aktivitäten in Gottes Namen setzen sich viele Menschen ein. Wo wir handeln im Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit, da blitzt auch hier in Sasel manchmal ein Stück vom Himmel auf. So lebt die gute Nachricht fort: Gott ist mitten unter uns. Nicht nur in der Weihnachtszeit.

Ich wünsche uns ein gesegnetes neues Jahr und dass wir unsere Vorhaben angehen mit der Kraft des Glaubens von Maria, der Liebe von Josef und der Besonnenheit der 3 Weisen.
Amen

 
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