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Mitälteste haben Anteil am Hirtendienst in der Gemeinde - Predigt am "Hirtensonntag" Misericordias Domini, 30.4.06, Vicelinkirche, von Pastorin Susanne Bostelmann

Predigt am Sonntag Miserikordias Domine 30.4.06 in Vicelin

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.

Liebe Äl¬teste,
Sie wun¬dern sich zurecht. Heute möchte ich beginnen mit dieser An¬rede: liebe Äl¬teste.
Dabei meine ich nicht Ihr Alter, natürlich, sondern dies ist eine in kirchlichen Kreisen besondere Bezeichnung.

In den jun¬gen Chris¬ten¬ge¬mein¬den zur Zeit des Neuen Tes¬ta¬ments dürf¬ten die Äl¬tes¬ten ein¬fach die »Dienst¬äl¬tes¬ten« im Glau¬ben ge¬we¬sen sein, die eben schon am längs¬ten im Glau¬ben an Je¬sus Chris¬tus stan¬den und die daher sich für die Ge¬meinde ver¬ant¬wort¬lich ge¬fühlt ha¬ben.
Ihr Konfirmand/innen, die hier seid, ihr seid die Lerndenden, für die wir Vorbild sein sollen. Hört also gut zu!
Als solche Men¬schen, die heute hierher gekommen sind und sich für ihre Ge¬meinde und die Kirche ver¬ant¬wort¬lich füh¬len, möchte ich Sie, liebe Mit¬äl¬tes¬te hier, heute an¬spre¬chen. Und nicht nur ich, son¬dern auch der Pre¬digt¬text aus dem 1. Pe¬trus-Brief, der dem heu¬ti¬gen Sonn¬tag zu¬ge¬ord¬net ist. Er lau¬tet so:
Der 1. Brief des Petrus 5,1-4
"1Die Ältesten unter euch ermahne ich, (Petrus), als Mitältester und als Zeuge der Leiden Christi, der ich auch an dem Glanz teilhabe, der offenbar wird:
2Weidet die Herde Gottes bei euch, nicht gezwungen sondern freiwillig, so, wie Gott es will, auch nicht gewinnsüchtig, sondern wohlwollend, 3auch nicht als solche, die über ihren Bereich herrschen, sondern als Vorbilder für die Herde.
4Und wenn der oberste Hirte erscheint, werdet ihr den Siegeskranz des Glaubens erhalten, der nicht verwelkt."

Das sagt Petrus seinen Mitältesten, denen, die sich verantwortlich fühlen. Er bittet sie und uns, unsere Arbeit (für die Kirche, aber wir können es auch auf anderes Engagement ausweiten) freiwillig und wohlwollend zu tun und Vorbilder für andere zu sein.
Ja, das leuchtet ein. Aber wenn ich genauer hinhöre, dann sagt uns dieser Text, dass da einiges wohl nicht ganz ideal gelaufen sein muss. Denn sonst hätte Petrus seine Mitchrist/innen nicht auf diese Weise ermahnen müssen.
Was hat das aber mit uns zu tun?

Die Gemeinde, für die Petrus predigte, steckte in der Krise. Jesus war jetzt schon viele Jahre nicht mehr auf der Erde, und der Glanz und die Begeisterung aus der Zeit der ersten Generation bröckelte. Dazu kam, dass die Christen im römischen Reich verfolgt wurden, weil sie sich weigerten, die Statuen des Kaisers anzubeten.

Heute wird nicht mehr erwartet, dass wir Kaiserstatuen anbeten. Aber es gibt eine Tendenz in unserer Gesellschaft, die Gott in den Hintergrund rückt und anderes, scheinbar Anbetungswürdiges, Vorrang einräumt.
Beispiele dafür deute ich hier nur mal an: Jugend, Flexibilität, Wirtschaftswachstum, aber auch so etwas wie: „es gehört sich so“ oder „es ist doch eh alles egal“ … - die werden hochgehalten auf Kosten der Alten, Schwachen, der Familien, die unflexibel sind. Für sie werden die Zeiten härter und damit auch für die, die sich für sie einsetzen, für die Kirchen. Heute ist es eher ungewöhnlich, sich als Glaubende oder gar Ehrenamtliche in der Kirche erkennen zu geben.
Damals waren christliche Gemeinden durch die Verfolgungen unter Druck. Heute sind wir als Gemeinden, auch als Kirche ebenfalls unter Druck: Finanziell, weil es für viele nicht mehr selbstverständlich ist, sich zur Kirche zugehörig zu sehen und dafür auch einen finanziellen Beitrag zu leisten.
Und auch ideell, weil Kirche manchmal den Geruch von etwas Altmodischen hat oder wir belächelt werden als die Phantasten ohne Realtitätsbezug. Kirche hat in den letzten Jahrzehnten einen gesellschaftlichen Prestigeverlust hinnehmen müssen.

Das ist nicht leicht für die Menschen, die Kirche sind und sich verantwortlich fühlen. Auch sie geraten unter Druck. Petrus stellt fest: Kri¬sen¬zei¬ten sind Zei¬ten der Ver¬su¬chung für die Menschen, die sich der Kirche zugehörig fühlen, damals wie heute. Er deutet die Versuchungen nur an. Aber ich kenne sie auch aus unserer Kirche, manches auch aus auch unserer Gemeinde:
Die erste ist die Ver¬su¬chung, sich einzusetzen, weil es eben sein muss. Das kann sein, weil ich ein schlechtes Geweissen habe und denke, ich müsste mal wieder was tun, oder weil es in der Familie immer so war, dass man etwas für die Kirche getan hat, oder weil es sonst niemand tut und dann eben ich - und man kann ja die Gemeinde nicht im Stich lassen. All diese Gedanken sind mir nicht fremd – aber Petrus nennt sie eine Versuchung, denn sie sind nicht wirklich hilfreich. Wenn ich mich aus Zwang einsetze, sei es aus innerem oder äußerem, wird der Funke nicht überspringen. An¬dere werde ich so nicht be¬geis¬tern und ge¬win¬nen können. Neues hat so kaum Platz – und das wirkt nicht begeisternd.
Da¬ge¬gen lobt Petrus die Frei¬wil¬lig¬keit. Wer freiwillig etwas macht, tut es mit Be¬geis¬te¬rung, Freude, in¬nerer Über¬zeu¬gung. Wir sehen zum Beispiel, mit wieviel Freude die Ehrenamt-lichen im Weltcafé dabei sind. Oder wie erfüllt der Menschen aus dem Kreis der Helfenden Hände von „ihren“ alten Leuten erzählen, die sie besuchen und denen sie zur Seite stehen. Wenn ich meine Zeit gebe, weil ich Lust habe, weil ich daran Freude oder Erfüllung finde – das ist mitreißend und überzeu-gend, auch für andere. In der Freiwilligkeit steckt aber auch – das ist die Vor¬aus¬set¬zung –die Mög¬lich¬keit, et¬was zu las¬sen. Der Ver¬su¬chung des »Man sollte« ent¬kommen wir nur, wenn es auch mög¬lich ist, Ver¬gan¬ge¬nes los¬zu¬las¬sen. Auch Ehrenäm-ter müssen nicht für immer ausgefüllt werden. Auch nicht, wenn es momentan keine Nachfolger gibt. Das müssen wir in der Kirche manchmal noch lernen: Freiwilligkeit darf zeitlich begrenzt sein, abgesprochen für vielleicht einige Monate oder ein, zwei Jahre.


Die 2. Ver¬su¬chung, die Petrus nennt, ist, aus Ge¬winn¬sucht zu han¬deln. Er dürfte dabei kaum an ma¬te¬ri¬elle Be¬rei¬che¬rung ge¬dacht haben – bis heute gibt es ja bei der Kirche nicht viel zu verdienen. Was Petrus meinte, ist: beim Dienst in der Ge¬meinde für sich selbst et¬was her¬aus¬zu¬schla¬gen: nämlich An¬er¬ken¬nung, Auf¬merk¬sam¬keit und Be¬ach¬tung.
Damit ist nicht gemeint, dass ich nur heimlich und unsichtbar agieren soll. Im Gegenteil, wir können ruhig Gutes tun und darüber reden, denn manchmal ist all das Gute, das wir als Kirche tun, noch gar nicht bekannt genug.

Wenn ich etwas für andere, für die Kirche tue, dann ist das natürlich eine Würdigung wert. Wo aber das Engagement nur dazu benutzt wird, um unter Bekannten zu glänzen, sich positiv hervorzuheben oder mehr Aufmerksamkeit als andere zu bekommen, dann wird es schief. In der Politik haben wir immer wieder Beispiele, wo eine Position auch für eigene Interessen missbraucht wird. In der Kirche gibt es das auch – denn wir sind ja dieselben Menschen wie alle anderen.
Petrus warnt uns, genau zu schauen, warum ich mich einsetze: was erhoffe ich mir davon? Oder, positiv ausgedrückt:
Heute werden wir erinnert, dass wir in Gottes Namen handeln, nicht in unserem eigenen. In all unserem Tun geht es letztendlich darum, Gottes Barmherzigkeit sichtbar zu machen. Die Herausforderung ist, dass wir von der Sa¬che Jesu ein¬ge¬nom¬men sind und von uns selbst ab¬se¬hen können. Auf diese Weise kann Zu¬sam¬men¬ar¬beit ge¬lin¬gen und in der Ge¬meinde eine Art „Mann¬schafts¬geist“ ent¬ste¬hen.
Denn alle ziehen an einem Strang, wenn auch vielleicht an verschiedenen Fäden: Der Kirchenvorstand ist nicht wichtiger als der Basarkreis, und die Jugendlichen tragen genauso viel zu einer lebendigen Gemeinde bei wie das Seniorencafé.
das Gegenteil von Gewinnsucht nennt Petrus Wohlwollen: das ist eine gute Herausforderung, immer wieder mit Wohlwollen auf die anderen, die genauso zum Leib Christi dazugehören, zu scheuen und das eigentliche Ziel, Gottes Liebe in der Welt lebendig zu machen, nicht aus dem Augen zu verlieren.

Die 3. Ver¬su¬chung nennt Petrus: an¬dere be¬herr¬schen und do¬mi¬nie¬ren zu wollen. Sie äu¬ßert sich manchmal in au¬to¬ri¬tä¬rem Auf¬tre¬ten, öfter aber noch in dem Be¬mü¬hen, al¬les un¬ter Kon¬trolle zu ha¬ben oder nur die ei¬gene Fröm¬mig¬keits¬kul¬tur zu¬zu¬las¬sen.
Da¬ge¬gen erinnert Petr die Äl¬tes¬ten (also uns alle!), dass wir Vor¬bil¬der sind. Also Men¬schen, de¬nen et¬was ab¬zu¬spü¬ren ist von dem, wo¬für sie ein¬tre¬ten. Vor¬bil¬der las¬sen an¬de¬ren die Frei¬heit, das zu über¬neh¬men, was ih¬nen plau¬si¬bel er¬scheint. Vor¬bil¬der im Glau¬ben ver¬lan¬gen nicht, dass man sie nach¬ahmt, son¬dern rich¬ten sich selbst auf Gott hin aus, so dass für an¬dere sichtbar wir¬d, wie sie ihren Glauben in ihrem Leben sichtbar machen. Wir alle sind Vorbilder: Für unsere eigenen Kinder und die, die wir taufen. Für unsere Konfirmand/innen, die nicht nur auf ihre Eltern genau schauen, ob ihr Leben zu dem passt, was sie sagen und für die, die ab und zu mal kommen.
Das finde ich, ist gar nicht so leicht. Aber Gott hilft dabei und die Erinnerung daran: Vor¬bild im Glau¬ben werde ich durch die Aus¬rich¬tung auf Gott hin.

Liebe Mit¬äl¬tes¬te, uns wird viel zu¬ge¬traut. Wir sol¬len mit¬wir¬ken am Hir¬ten¬dienst von Jesus Christus, unserem höchsten Hirten. Denn wir sind seine Hände und sein Hirtenstab auf Erden.
Aber uns wird auch etwas versprochen: Gott ist da für uns wie ein Hirte, der uns zu unseren Quellen führt, der da ist auf den sonnigen Gipfeln und in den tiefen Tälern des Lebens.
Und: wir werden teil¬ha¬ben an der Herr¬lich¬keit Jesu Christi. An uns und für uns selbst soll et¬was sicht¬bar und spür¬bar wer¬den von Got¬tes präch¬ti¬ger Kraft:
Wenn sich Got¬tes Herr¬lich¬keit in uns spie¬gelt, dann strahlen wir ab und zu von in¬nen her¬aus und un¬ser Le¬ben ist mit Sinn er¬füllt.
Das ist uns zu¬ge¬sagt: Wir wer¬den die Krone der Herr¬lich¬keit emp¬fan¬gen. Einst in Got¬tes Ewig¬keit, aber nicht erst dort. Son¬dern jetzt, mit¬ten in un¬se¬rem Le¬ben, wird sich et¬was von Got¬tes Herr¬lich¬keit in uns wi¬der¬spie¬geln. Diese Herr¬lich¬keit, diese Kraft ist uns zu¬ge¬sagt. Und so kön¬nen wir un¬sere Zwänge und fal¬schen An¬sprü¬che hin¬ter uns las¬sen, kön¬nen auf¬hö¬ren dem Ges¬tern nach¬zu¬trau¬ern und uns statt¬des¬sen für das Heute öff¬nen, kön¬nen frei da¬von wer¬den, bei dem, was wir tun, et¬was für uns her¬ausschla¬gen zu müs¬sen, kön¬nen Mit¬glied ei¬ner gro¬ßen Gemeinmen¬schaft wer¬den. So können wir frei da¬von wer¬den, an¬de¬ren un¬sere Vor¬stel¬lun¬gen auf¬zu¬drän¬gen und uns statt¬des¬sen im¬mer wie¬der auf Gott hin aus¬rich¬ten und – viel¬leicht ohne es zu mer¬ken – für an¬dere zu Vor¬bil¬dern wer¬den. In uns soll sich et¬was von Got¬tes Herr¬lich¬keit, von sei¬ner Kraft und Güte spie¬geln. Dazu, liebe Mit¬äl¬tes¬te, sind wir be¬ru¬fen, und das ist uns zu¬ge¬sagt.
Dabei sind wir nicht al¬lein. Viele sind mit un¬ter¬wegs. In Sasel und weltweit.
Und Jesus als unser oberster Hirte wacht über uns.
Amen


Susanne Bostelmann

 
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