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Zurück in den Garten. Rede zur Eröffnung des VicelinGartens - von Propst Hartwig Liebich (Volksdorf) am 16.9.2006

Propst Hartwig Liebich bei seiner Festansprache

16. September 2006

Rede zur Eröffnung des Vicelin-Gartens



Meine sehr verehrten Damen und Herren,

zu Ihrem fröhlichen Fest, zu dem für Kirche und Stadtteil gleichermaßen bedeutsamen Ereignis der Einweihung des Vicelin-Gartens, bringe ich Ihnen die herzlichsten Glück- und Segenswünsche des Kirchenkreises. Sie können stolz darauf sein, was Sie hier geschaffen haben. Im ganzen Kirchenkreis freuen wir uns mit Ihnen, und haben Sie, wo wir konnten, gern unterstützt.

Stolz können Sie auch darauf sein, dass Ihre Bemühungen um Vicelingarten, Eine-Welt-Laden und Café bundesweit Anerkennung fanden, indem das Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik (GEP) Sie im Sommer 2006 mit dem Ersten Preis für beispielhafte Projekte der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit und des Fundraisings auszeichnete: „Die Aufbruchstimmung der Gemeinde führte zu einem deutlich gesteigerten Bekanntheitsgrad. In der Folge konnten viele neue Ehrenamtliche gewonnen werden, und der Umsatz des Eine-Welt-Ladens der Gemeinde erhöhte sich um ein vielfaches.“ So befand die Jury. Und sie fuhr fort: „Die Initiative VicelinGarten zeichnet sich dadurch aus, dass die gemeindlichen Fundraising-Aktivitäten mit einem erfolgreichen Programm des Gemeindeaufbaus Hand in Hand gehen und damit nachhaltig angelegt sind.“

Als Sie vor einigen Jahren vor der Alternative standen, angesichts finanzieller Einbußen Arbeitsbereiche einzustellen, sich eher nach innen zurückzuziehen oder einen Neubeginn mit allen dazugehörigen Risiken zu wagen, haben Sie sich für dies Zweite entschieden. Das finde ich für Kirche in ihrem eigenen Selbstverständnis und für den Stadtteil vorbildlich. Nicht nur, weil hier etwas Ausstrahlendes entstanden ist. Sondern auch, weil sich hier viele Menschen engagieren. Außerdem haben viele sich diesen Garten im wahrsten Sinne des Wortes durch ihre Spenden etwas kosten lassen. Auch das sage ich mit Dank und Respekt.

Einen neuen Treffpunkt in Sasel haben Sie geschaffen: Den neu gestalteten Eine-Welt-Laden mit freundlichem Café inmitten des Vicelin-Gartens. Einen öffentlichen Garten im Herzen Sasels. Einen alternativen Platz, an dem symbolisch sichtbar wird, dass der Lebensfluss in einer Gemeinschaft viel breiter angelegt ist als im schnell fließenden Verkehr auf dem Ring 3. Welch interessante, klare Sichtachsen sind mit der Schaffung des Gartens entstanden. Sichtachsen, die in ihrer Kreuzform hinweisen auf die gewichtigen Grundaussagen unseres christlichen Glaubens.

Beginnend von außen: der Blick auf die Kirche, dem Ort des Friedens und der Gottessuche; vorbei an der Kirche der Blick auf Café und Weltladen mit dem dahinter liegenden Gemeindehaus: für Gerechtigkeit und Gemeinschaft stehen diese Einrichtungen.

Dann auf der Querachse rechts die Kirchenkaten: der deutliche Hinweis auf die Parteilichkeit Gottes für die, die in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt sind;
und links dann die alte Eiche und der Naturspielplatz des Kindergartens: um Bewahrung der Schöpfung geht es. Um Bewahrung der Schöpfung in Verantwortung für die nächste Generation, die im dahinter liegenden Kindergarten deutlich sichtbar ist.

Ein eindrückliches theologisches Konzept, ein klares Gemeindebild wird sichtbar, wenn man so auf den Garten blickt: Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung; eine deutliche biblische Perspektive auf die Welt, wie Gott sie will, eine Ermutigung, sich dafür einzusetzen gegen allen Unfrieden, alle Ungerechtigkeit, alle skrupellose Zerstörung um uns herum. Auch dafür danke ich allen, die sich dafür eingesetzt haben.

* * *

In einem neu angelegten Garten ist immer noch viel Platz für ungeahntes Wachstum. Gespannt werden wir also beobachten, was sich hier noch weiter entwickelt. Der Vicelin-Garten: Eine Visitenkarte für das menschenfreundliche Gesicht von Kirchengemeinde und Stadtteil, der neue Dorfplatz hier um die 300jährige Eiche im Zentrum des Ortes!

Gärten sind nicht nur nützlich und schön, sie sind immer auch Sinnbild dafür, wo wir Menschen her kommen und wo wir wieder hin wollen. Sie erinnern an den ersten Garten der Menschheit, den Garten Eden, das Paradies, beschrieben im ersten Buch der Bibel.

Gärten sind wichtig in der Bibel. Ich habe nachgesehen: An 76 Stellen wird dort von Gärten gesprochen. Am Beginn der Schöpfung: „Und Gott der Herr pflanzte einen Garten Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, dass er ihn bebaute und bewahrte.“
Das ist offensichtlich unser Auftrag: zu bebauen und zu bewahren.

Dann im weiteren Alten Testament die Erwähnung prächtiger königlicher Gärten. Im Hohen Lied der Liebe schließlich die prachtvoll sinnliche Beschreibung der die Liebenden betörenden Düfte einzelner Pflanzen – vielleicht können Sie hier für die Bepflanzung des VicelinGartens noch einige Anregungen finden!

Und schließlich im Neuen Testament vom Garten Gethsemane der Weg zum Garten, in dem am Tag der Auferstehung, an Ostern, der Stein vom Grab gewälzt ist und Maria von Magdala den Auferstandenen Jesus zunächst für den Gärtner hält. Der Garten Eden ist für uns Menschen das Hoffnungsbild für menschenwürdiges, gelingendes Leben.

* * *

Es gibt eine schöne Geschichte von Marie – Luise Kaschnitz zu diesem hoffnungsvollen Paradiesgarten. Und die geht so:
„Adam und Eva hatten ihr ganzes Leben nun diesseits von Eden, diesseits der Paradiesmauer verbracht. Jetzt waren sie alt und gebrechlich geworden, und von ferne winkte der Tod. Im Schweiße ihres Angesichtes hatten sie den Acker bestellt, waren von Dornen und Disteln gestochen, und von Naturkatastrophen gepeinigt worden. Die Kinder hatten sie oft zermürbt mit ihrem Gequengel.

Und immer häufiger litt Adam an Schlaflosigkeit. Gedanken wanderten durch seinen Sinn, Versäumtes trat fragend vor ihn, und eine ferne Sehnsucht umfing ihn. Aber das Alltägliche stand im Vordergrund; so der tropfende Wasserhahn, der baufällige Hühnerstall usw. Lange schon hatte er nicht mehr gelacht. Und kein Nachbar bemühte sich mehr, ihn mitzunehmen in die Kneipe um die Ecke zu einem kühlen Bier. Adam selbst fühlte sich nicht mehr im Gleichgewicht; er spürte das Loch in seiner Seele, aber er wusste keinen Ausweg. Selbst die Sonne hatte ihren Glanz für ihn verloren. Tief war sein Tal.

Beklommen fragte er eines Tages Eva: „Du, was wird aus uns?“ Eva antwortete ganz ruhig: „Adam, wir bleiben zusammen. Wir gehen zurück in den Garten.“

Während sie das sagte, blickte sie ihn liebevoll an, legte ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn. Da begann etwas zu schmelzen in Adams Seele, und er sagte: „Ja, gibt´s den Garten denn noch?“
„Woher, meinst du, hatte ich die Trauben, die ich dir brachte“, entgegnete sie, „und woher die Zwiebel der Feuerlilie und woher diesen funkelnden Stein? Die Engel haben es mir über die Mauer des Paradieses geworfen, immer wieder. So habe ich nie die Erinnerung an´s Paradies verloren. Und wenn wir beide dann kommen und hinein wollen, dann rufe ich nach den Engeln, und sie öffnen uns die Tür.“

Adam schüttelte lange den Kopf. Von weit her stieg eine ferne Erinnerung in ihm auf. „Gerade dir werden sie die Tür öffnen“, sagte er leise zu sich selbst – und dann begann er zu lachen, laut und herzlich. Diese Eva! Nie hat sie vergessen, woher wir kommen und wohin wir gehen. Und mit dem Lachen kam auch die Liebe zu ihm zurück. Und mit der Liebe die Hoffnung. Und dann lachten sie beide!“

So weit diese Geschichte.

Im Propheten Jesaja (51,3) heißt es – zwar nicht in unmittelbarem Bezug auf den VicelinGarten, den kannte Jesaja ja noch nicht: „Gott machte ihr dürres Land wie Eden, wie den Garten des Herrn, dass man Wonne und Freude darin findet.“

Bebauen und bewahren Sie den VicelinGarten, diesen Schatz, den Sie haben, dass er dieses Lachen, diese Wonne und Freude ausstrahlt in die Kirchengemeinde und den Stadtteil und so dazu beiträgt, dass menschliches Miteinander vor Ort hoffnungsvoll gelingt.

Das wünsche ich Ihnen – und außerdem heute ein fröhliches Fest und eine lange Nacht der Kirchen!

Ich danke Ihnen.


Hartwig Liebich,
Propst


Fotos vom Vicelin-Garten-Eröffnungsfest vgl. die Rubrik "Tagebuch" auf unserer website!

 
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