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"Nichts kann uns scheiden von Gottes Liebe" - Predigt zu Silvester 2009, in der Vicelinkirche, von Pastorin Susanne Bostelmann

Predigt Silvester 2009

Gnade sei mit euch von dem, der da ist und der da war und der da kommt.
Liebe Gemeinde,
Worte haben eine große Macht, im Guten wie im Negativen.

Worte, die dieses Jahr geprägt haben und viel aussagen über die Zeit, in der wir leben sind z.B.:
Yes, we can. Das hat viel in der Welt zum Besseren und zu mehr Hoffnung bewegt. Es wird sich zeigen, wie viel der Präsident von seinen Hoffnungen und Versprechen einlösen kann und ob er die Menschen weiter dazu bewegen kann, an Veränderungen mitzuwirken.
Das Wort des Jahres 2009 heißt: Abwrackprämie. Die Idee war gut, etwas für die Umwelt zu tun. Aber Geld dafür zu bekommen, um zu zerstören, was vielleicht noch 2-3 Jahre brauchbar gewesen wäre, das ist doch verrückt!
Auf Platz 2 und 3: kriegsähnliche Zustände und die Schweinegrippe. Wir leben in einer Zeit, in der vieles machbar zu sein scheint und doch Viren eine Gesellschaft ganz schön aus der Bahn werfen. Gott sei Dank war die Schweinegrippe nicht so schlimm wie befürchtet, im Gegensatz zu den immer schlimmer werdenden sogenannten „kriegsähnlichen Zuständen“? Warum darf es nicht Krieg heißen?
Worte prägen unser Denken. Welche Worte waren für Sie wichtig im Jahr 2009?

Es gibt Worte, die klingen in mir nach. Worte, die mir gesagt worden sind, vielleicht schon vor langer Zeit, die stärken mich.
Das sind Worte, die Stimme von geliebten Menschen - manchmal zum Greifen nah.
Ein Kind im Mutterleib kann schon sehr früh hören und ist beruhigt von der Stimme seiner Mutter. Und ein Mensch, der stirbt, vermag als letztes noch zu hören. Worte, am Anfang und am Ende eines Lebens: Wir leben davon.

Eines der tröstlichsten Worte aus der Bibel hören wir heute, im Übergang zwischen dem, was war und dem, was kommen wird, auf der Brücke vom alten zum neuen Jahr: Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom:
Ich verlasse mich darauf: Weder Tod noch Leben, weder himmlische noch staatliche Mächte, weder die gegenwärtige Zeit noch das, was auf uns zukommt, weder Gewalten der Höhe noch Gewalten der Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf können uns von Gottes Liebe trennen, die in Jesus Christus, lebendig ist, zu dem wir gehören.
Wenn wir das hören, wenn wir dieses Wort mit nehmen als unsere Wegzehrung in das neue Jahr, dann können wir dem, was kommen wird, gelassen entgegenblicken.
Was kommt, das wissen wir nicht. Manches wird voraussichtlich so weitergehen wie bisher. Manches lässt sich in etwa vorhersehen. Die Schwangeren werden Kinder zur Welt bringen, die Todkranken werden sterben. Aber selbst das Wahrscheinliche ist nicht ganz sicher.

Paulus wiegt sich in einer anderen Sicherheit:
Wenn Gott für uns ist, wer ist dann noch gegen uns? Wer kann uns verurteilen? fragt Paulus.
Wer ist gegen uns? Die kann ich aufzählen: Es gibt sie ja, die Menschen, die gegen uns sind – in der Kollegenschaft oder der Familie, unter Nachbarn, es gibt die Missgünstigen und die Betrüger, es gibt die, die ihr eigenen Vorteil auf unsere Kosten suchen und die, die so tun als meinen sie mich, aber nur mein Geld wollen. Es gibt Krankheiten, die zerstörerisch sind. Und manchmal finde ich auch, dass die Zeit gegen mich ist.
Wenn Gott für uns ist, wer ist dann noch gegen uns?
Es gibt Menschen und Mächte, die mich klein machen, klein kriegen wollen. Aber weil Gott ist für mich ist, weil Gottes Liebe mich groß macht, kann keine weltliche oder menschliche Macht mich klein machen. - Es sei denn, ich gebe ihr die Macht dazu.
Das ist mein vielleicht schwerster Gegner: Wer kann uns verurteilen? fragt Paulus: Am ehesten ich selbst. Anselm Grün hat das beschrieben: „Wir sind ja sehr oft unbarmherzig mit uns selbst. Wir können uns nicht verzeihen, wenn wir Fehler machen, wenn unsere Bilanz nicht gut aussieht. Wir wollen bestehen vor dem Urteil der anderen und vor dem eigenen Urteil. Wir messen uns an den Maßstäben von Erfolg und Misserfolg, von Beliebtheit und Ablehnung, von Reife und Unreife.“
Aber Gott verschafft uns Recht nach anderen Maßstäben. Gott rechnet unseren Wert nicht nach unseren Erfolgen und Misserfolgen. Gott ist sogar Mensch geworden, um uns zu deutlich zu machen: Menschliche Maßstäbe gelten vor Gott nicht. Gott sagt: Du bist mein geliebtes Kind und daher unendlich wertvoll. Dies kann dir niemand nehmen, nicht einmal du selbst. Du bist frei von allem, was dich beurteilen, vermessen, bewerten will, weil du aufgehoben bist in meiner Liebe.
So hat Jesus gelebt. Und weil das so anders als alles Herrschende war, weil es verunsichert und vieles auf den Kopf stellt, wenn man danach lebt, ist er ermordet worden. Jesus hatte viele Gegner. Sie können Menschen verurteilen, sogar umbringen. Auch Paulus und die Christ/innen der ersten Gemeinden in Rom uns in Kleinasien spürten die Repressionen, der die junge Religion ausgesetzt war, auch am eigenen Leib. Paulus wurde mehrfach von römischen Soldaten verhaftet. Einmal hat er im Gefängnis gegen seine Angst angesungen. Darum weiß er, wovon er spricht, wenn er fragt: Was sollte uns von Gottes Liebe trennen? Unterdrückung, Angst, Verfolgung, Hunger, Obdachlosigkeit, Gefahr oder politische Verfolgung, die mit dem Tod endet?
Paulus kennt die Angst, verharmlost nicht die Gefahren für Leib und Leben. Wir haben keine Gewissheit, dass im kommenden Jahr alles gut und glatt laufen wird, wie geplant, erhofft und erwünscht. Uns kann eine Menge etwas anhaben: der Verlust von Menschen, Angst, die mich gefangen hält, Sorgen, die ich mir zu Recht und zu Unrecht mache, Druck und Stress. Es wird uns Gutes widerfahren und wir werden Schweres durchleben müssen, genauso wie in diesem Jahr.
Worte machen nicht unverwundbar. Aber wir haben einen Untertitel für das kommende Jahr und für unser Leben, den Paulus uns mit auf den Weg gibt:
Ich verlasse mich darauf: Weder Tod noch Leben, weder himmlische noch staatliche Mächte, weder die gegenwärtige Zeit noch das, was auf uns zukommt, weder Gewalten der Höhe noch Gewalten der Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf können uns von Gottes Liebe trennen, die in Jesus Christus, lebendig ist, zu dem wir gehören.
Nichts kann uns trennen von Gottes Liebe. Denn wir gehören zu Jesus Christus, der ermordet und vielmehr auferweckt worden ist. Der Tod gehört zu unserem Leben. Aber er hat nicht das letzte Wort. Vom ewigen Leben, dem Leben bei und in Gott, kann mich niemand trennen.
Was ich sympathisch finde: Paulus sagt: Ich verlasse mich darauf, nicht: das weiß ich sicher. Ich verlasse mich darauf bedeutet, ich vertraue darauf, ich weiß es mit dem Herzen, ich baue darauf. Diese Hoffnung kann zu meinem Fundament werden. Ich muss sie allerdings glauben. Beweise gibt es keine, Anhaltspunkte dafür kann ich in meinem Leben finden, wenn ich glaube. Von Gott trennt mich nichts, wenn ich mich nicht selbst abtrenne. Und selbst dann geht Gott mir nach.

Diese Worte werden uns heute mit auf den Weg ins neue Jahr gegeben. Worte, die uns begleiten, an die Hand nehmen. Ich kann sie immer wieder suchen, lesen, wiederkäuen. Dann verliere ich die Zusage Gottes nicht aus dem Ohr. Und sie kann ein Grundton meines Lebens werden. Mit ihm kann ich mich einstimmen in das neue Jahr, kann es zuversichtlich in den Blick nehmen. Gottes Liebe ist mir gewiss.

Nichts kann mich scheiden von Gottes Liebe – das heißt, dass ich auch im kommenden Jahr zuversichtlich bleiben kann in Gott. Ich werde Schönes erleben und möchte Gott dafür danken können. Ich werde Angst verspüren und möchte dann gegen meine Ängste ansingen oder anbeten oder andere bitten, das für mich zu tun.

Ich verlasse mich darauf: Weder Tod noch Leben, weder himmlische noch staatliche Mächte, weder die gegenwärtige Zeit noch das, was auf uns zukommt, weder Gewalten der Höhe noch Gewalten der Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf können uns von Gottes Liebe trennen, die in Jesus Christus, lebendig ist, zu dem wir gehören.
Das ist ein Grundton meines Lebens, und ich kann ihn immer wieder auf mich wirken lassen, mir zusprechen lassen. Es ist eine gute Gewissheit in einer offenen Zukunft, die vor uns liegt.

Wir leben von Worten. Aus China stammt die kleine Geschichte, die ich mir zu Herzen nehmen will:
Ich sagte zu dem Engel, der das alte mit dem neuen Jahr verband: Gib mir ein Licht, damit ich festen Schrittes in die Ungewissheiten des neuen Lebens schreiten kann. Aber er antwortete mir: Geh hinaus in die Ungewissheit und leg deine Hand in Gottes Hand. Das ist mehr wert als ein Licht und sicherer, als den Weg zu wissen.

Worte, die uns begleiten und an die Hand nehmen im neuen Jahr und allen, die kommen werden. Nichts kann uns scheiden von Gottes Liebe die in Jesus Christus ist. Nichts! Gott hat das letzte Wort.
Amen

Pastorin Susanne Bostelmann

 
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