Zur Übersicht

Voriger Text - Nr. 12 - Nächster Text


 
 

Predigt am Ersten Weihnachtsfeiertag, 25.12.2009, in der Vicelin- und Lukaskirche, von Pastorin Susanne Bostelmann

Gnade sei mit euch uns Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.
Liebe Gemeinde,

Es geschah damals in dieser aus römischer Sicht recht unbedeutenden römischen Provinz Israel. Der Kaiser achtete darauf, dass - wie im gesamten Reich - auch in dieser kleinen Provinz seine Herrschaft aufrecht erhalten wurde. Der Kaiser ließ sich als Gott verehren. Zum Kaiserkult gehörte, dass er vor dem Volk erschien, um sich anbeten zu lassen. Die Untertanen durften ihm nicht in die Augen blicken. Man musste seinen Blick senken und sich zu Boden werfen, als Zeichen der Unterwerfung. Wer nicht unbedingten Gehorsam leistete, war in Gefahr.

Der Kaiser brauchte immer mehr Geld für seinen Machtapparat und für repräsentative Bauten. Darum erließ er den Befehl zur Volkszählung, um neue Steuern erheben zu können.
Unzählige Menschen mussten seinem Befehl folgen. Viele mussten alles stehen und liegen lassen und sich in ihrer Geburtstadt registrieren lassen. Die Macht des Kaisers wurde bis hin zu den letzten Untertanen demonstriert.
Und gerade in dieser Zeit geschah es, dass dieser Macht etwas entgegengesetzt wurde, das so anders war, so zart und unscheinbar begann und dennoch eine enorme Kraft entwickelte bis heute. Gottes Güte und Menschenfreundlichkeit erschien in der Welt, so sagt es unser Predigttext. Gott wurde Mensch, mitten im Dunkel. In einer fremden Stadt, in einer unbedeutenden Provinz am Rande des römischen Reiches brachte eine Frau aus dem Volk ein Kind zur Welt. Das hat die Welt verändert.
So kam es, dass die verachteten Hirten auf dem Felde als erste von einem neugeborenen Retter hörten. Euch ist erschienen Gottes Sohn, hörten sie die gute Nachricht. Gottes Menschenfreundlichkeit erschien in der Welt, machtvoll, aber ganz anders als das Erscheinen des Kaisers in seinem Reich. Gott wurde Mensch - kein großer und gnadenloser Machthaber. Gott wurde Mensch in einem von ihnen, einem hilfloses Kind und doch ist er der Retter der Welt.

Die Hirten suchten das Kind auf, so wird es erzählt in dieser wunderbaren Geschichte, sie fanden das Kind in einem Stall -in solchen Örtlichkeiten kannten sie sich aus.
Und als sie dort alles erzählten, was sie gehört hatten über dieses Kind, den Retter der Welt, staunten alle: hier begann etwas seinen Lauf zu nehmen, das machtvoller ist als jegliche Macht eines menschlichen Herrschers und diese in ihre Schranken verweist.
Die Hirten gingen zurück zu ihrer Arbeit, wohl noch in dieser Nacht. Aber es hat sich etwas in ihnen verändert, denn sie lobten Gott für alles, was sie gesehen und gehört haben.
Sie lobten Gott - und nicht den Kaiser.
Sie hatten erlebt: Gott ist menschenfreundlich und nahe, Gott interessiert sich für jeden Menschen, bedeutend oder unbedeutend. Sie hatten Gottes Gegenwart erlebt mitten im Dunkel, als sie dem Kind in die Augen schauten. Sie waren die ersten, die erlebten: Gott ist auf der Seite der Schwachen, Gott hält zu uns. Und: der Kaiser ist auch nur ein Mensch. Für sie hatte der Kaiser seine absolute Macht verloren. Sie mussten ihre Arbeit verrichten wie immer, aber sie wussten, dass Gott da war für sie. Der Kaiser konnte Steuern erheben oder seine Soldaten schicken. Aber er war auch nur ein Geschöpf Gottes, wie jeder von ihnen. Ihre menschliche Würde konnte er nicht beschädigen. Denn sie waren geliebte Kinder Gottes, so wie sie waren. Kein Mensch konnte sie erniedrigen, denn durch dieses Kind wussten sie: Gott ist da für sie. Gott in den Schwachen mächtig.

Das hat Jesus in seinem Leben verkörpert. Er hat sich den Schwachen zugewandt und die angesprochen, die ihn suchten. Er richtete Gebeugte auf und machte Mutlosen Mut. Er gab ihnen ihre menschliche Würde zurück, die Menschen ihnen durch Ausgrenzung und Demütigung, durch Machtmissbrauch und durch Selbsterhöhung genommen hatten. Er schenkte denen, die bereuten, einen Neuanfang, der Fehler und Schuld hinter sich lassen kann.

Jesus machte deutlich, dass wir aus Gottes Barmherzigkeit leben. Dieser Macht musste man sich nicht unterwerfen, hier wurde man nicht erniedrigt. Diese Macht ist kraftspendend und ermutigend, sie macht stark und richtet auf.

Alle, die das erlebten, lobten Gott wie die Hirten in der ersten Nacht. Sie wurden verwandelt und gaben an andere weiter, was sie bekommen hatten. Weihnachten ist das ganze Jahr über, wo Menschen in Jesu Namen Menschlichkeit verschenken.

Heute haben wir keinen Kaiserkult, es regiert kein absoluter Herrscher hier bei uns. Aber es wird von Politik und Medien gebetsmühlenartig wiederholt, was geglaubt werden soll: dass Wachstum die Rettung in der Krise ist, zum Beispiel. Nach den neuesten Wortschöpfungen muss das Wachstum der Wirtschaft nicht nur steigen, es muss sogar beschleunigt werden. Dieser Macht sollen sich alle beugen.
Die beschlossene Umverteilung des Geldes heißt aber, dass der Wirtschaft und den so genannten Leistungsträgern Anreize gegeben werden. Dagegen müssen viele Familien durch Hartz IV mit 4 Euro pro Tag für Essen und Trinken auskommen müssen. In der Bildung muss nun noch mehr gespart werden, und der fehlende Beschluss von Kopenhagen zeigt, dass es auch keine Bereitschaft gibt, ernsthafte Summen in den dringend nötigen Klimaschutz zu stecken. Diese Konferenz ist gescheitert, weil die reichen Staaten nicht bereit sind, Prioritäten in die Verantwortung für die Zukunft, für die nachfolgenden Generationen zu setzen. Niemand hat eine Initiative gestartet zum Klimaschutz. Wer zuerst etwas vorschlägt, hat verloren. Die Gewinner nehmen eine steigende Zahl von Verlierern in Kauf.
Das sind die Prinzipien der Macht, nach denen heute unsere Welt regiert wird. Und genau in diese Welt hinein kommt Gott uns nahe.

Heute stehen wir an der Krippe, und hier wird deutlich: Gott setzt andere Prioritäten als unsere Wirtschaft und Regierung.
Als Christ/innen und Christen müssen wir uns nicht dem Prinzip des Wachstums und der Verdienste nach Leistung beugen. Wir leben nach dem Prinzip der geschenkten Gnade. Darauf macht uns der Predigttext aufmerksam: (Titus 3,4-7)
Weil die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschienen ist, hat er uns errettet; wir selbst haben nichts vorzuweisen, womit wir diese Güte verdient haben: Gott hatte Erbarmen mit uns. .. Diesen Geist hat uns Gott in reichlichem Maß durch Jesus Christus, unseren Retter geschenkt.
Weihnachten ist das Fest dieser geschenkten Gnade.
Die Geschenke zu Weihnachten sind ein Symbol für die Gnade, die liebevolle Zuwendung, die wir von Gott geschenkt bekommen. Geschenke sind gut, wenn sie eine liebevolle Geste sind, ein Ausdruck der Wertschätzung und des Dankes für Gottes Geschenk an uns.
Leider fordert die Gottheit des Wachstums auch hier ihren Tribut, wenn die Kaufhäuser immer blendender geschmückt sind, die Mitarbeitenden unter den immer längeren Öffnungszeiten leiden und die Menschen in der Vorweihnachtszeit immer angestrengter sind.

Aber gerade in diese Zeit geschieht es, dass dieser Macht etwas entgegengesetzt wird, das so anders ist, so zart und unscheinbar beginnt und dennoch eine enorme Kraft entwickeln kann, wenn wir sie lassen, in uns hineinlassen. Auch Weihnachten 2009 erscheint Gottes Güte und Menschenfreundlichkeit in der Welt.
Seitdem haben Wachstumsglaube und Leistungsdruck keine absolute Macht mehr über mich. Wenn ich weiß, dass ich reich beschenkt bin, brauche ich nicht immer noch mehr. Auch dass ich etwas leisten kann, ist Geschenk der Schöpferkraft. Verdienen kann ich mir das nicht. Muss ich auch nicht. Ich bin etwas wert, einfach so, weil ich Gottes Kind bin. Und jeder andere Mensch auch.
Gott schenkt mir alles, was ich brauche, Liebe, meine Würde, Kraft und Segen für mein Leben. Was ich noch brauche, ist Trost in den dunklen Momenten, Heil für das, was in meinem Leben angeknackst oder zerrissen ist, und all das kann ich mir auch nicht kaufen. Ich kriege es geschenkt. Denn Gott kommt zu mir.

Weihnachten feiern wir Gottes Güte und Menschenfreundlichkeit. Darum kann ich nach Weihnachten wieder in den Alltag gehen, in dem ich lebe und Gott loben wie die Hirten. Ich kann die Weihnachtslieder fröhlich singen und danken für Gottes Geschenk. Ich weiß mich aus Gottes Kraft lebend und bin daher etwas unabhängiger von dem, was andere Mächte mir einflüstern wollen.
Heute feiern wir Gottes Menschenfreundlichkeit, die allen Menschen gilt, aber zuerst denen, die auf der Verliererseite leben. Gott zu loben heißt daher für mich auch, die Gesellschaft menschenfreundlicher zu gestalten. Es gibt durchaus Möglichkeiten für unser Land, das ja eines der reichsten ist, in die soziale Gerechtigkeit, in Bildung und den Klimaschutz zu investieren. Dann wird nur woanders nicht so viel Geld zur Verfügung stehen. Wo, darüber sollten wir miteinander reden. Gott lässt sich auf vielerlei Weise loben. Auch durch Verzicht mit dem Ziel der Güte und Menschenfreundlichkeit jetzt und in der Zukunft – das wäre wahrhaft weihnachtlich.
Amen

Susanne Bostelmann

 
  Zum Text Anfang  

Zum Seitenanfang...